Die Bedeutung der Sprache für die Organisationskultur

Blogartikel
01. Jun. 2024
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4 Min.

Sprache schafft Realität. Sie beeinflusst unser Denken, unser Fühlen und unser Handeln und somit die Denkweisen und Verhaltensmuster innerhalb einer Organisation. In diesem Blogbeitrag werden wir die entscheidende Rolle der Sprache für die Organisationskultur beleuchten und dabei auf konkrete Beispiele, Herausforderungen sowie praktische Kriterien für bewusste Kommunikation eingehen.

Bewusster Umgang mit Sprache

Der erste Schritt zu einem bewussten Umgang mit Sprache beginnt damit, nicht aus der Sender-Perspektive zu denken, sondern aus der Empfänger-Perspektive. Es zählt nicht, was ich meine gesagt zu haben, sondern was bei meinem Gegenüber ankommt – und was es auslöst.

Schon einzelne Wörter können maßgeblich beeinflussen, in welchen Kontext das Gesagte gesetzt wird und wie es verstanden werden kann. 

Durch den gezielten Einsatz von Sprache kann ein besseres Denken langfristig gefördert, können Missverständnisse vermieden, Informationen schneller und nachhaltiger vermittelt und

die Motivation gesteigert werden. Alles relevante Faktoren, die direkten Einfluss auf die Gestaltung der Unternehmenskultur haben.

Sprache als Gestaltungswerkzeug

Metaphern:

Durch Metaphern erzeugen wir das sogenannte Kopfkino. Analogien "framen" das Gegenüber und setzen den Kontext, in dem die vermittelten Informationen interpretiert und bewertet werden.

»Metaphern strukturieren und beeinflussen, welche Informationen wir bei einer Entscheidung einbeziehen.«  – Lera Boroditsky, Kognitionswissenschaftlerin der Stanford University

Konjunktionen:

Konjunktionen wie "aber", "zwar" oder "obwohl" können den ersten Teil eines Satzes abwerten und somit die Wahrnehmung der Aussage steuern. Vor dem Hintergrund der Motivation ist dies von besonderer Relevanz.

Beispiel: 

"Wir haben Lösungsansätze erarbeitet, aber uns bedroht die aktuelle wirtschaftliche Lage." – Diese Aussage wird als negativ wahrgenommen.

"Die aktuelle wirtschaftliche Lage bedroht uns, aber wir haben Lösungsansätze erarbeitet:" – Diese Aussage wird als positiv wahrgenommen.

Ohne den Inhalt der Aussagen zu verändern, bestimmt der Einsatz der Konjunktion die Wahrnehmung. 

Einschränkungen: 

„Hast du das Projekt fertig?“ – „Eigentlich schon.“

„Wie lief der Termin?“ – „Gar nicht so schlecht.“

„Möchtest du einen PC oder einen Laptop?“ – „Ich glaube, ich hätte gerne einen PC.“

„Gefällt dir deine Arbeit? – „Ja, irgendwie schon.“

„Wie findest du den neuen Chef?“ – „Ganz passabel.“

Einschränkungen verunsichern, denn unklare Aussagen irritieren mehr, als dass sie Sinn stiften. Im Alltag benutzen wir viele Worthülsen, negative Formulierungen und unnütze Füllwörter. Dadurch klingt Vieles unentschlossen bzw. halbherzig und lässt verwirrte Zuhörer zurück. 

Beliebte Partikel sind „eigentlich“, „vielleicht“, „sozusagen“ oder „eventuell“.

Diese Füllwörter schwächen die Aussage oder können diese sogar unverständlich machen.

Doppelte Verneinungen:

Unser Gehirn ist auf Energieeffizienz gepolt. Eine doppelte Verneinung meint zwar etwas Positives, aber diese Abstraktion bedeutet für das Gehirn Arbeit. Wenn wir also sagen, etwas ist „nicht schlecht“, dann speichert unser Gehirn es nicht als „gut“ ab – es speichert das kritische Wort „schlecht“. Werden derartige Formulierungen dauerhaft bei Feedback benutzt, kann dies also zu Frustration und Demotivation führen.

Verbal-Extremismus:

Sehr häufig kommt es vor, dass in Schilderungen von Situationen Begriffe wie „immer“, „nie“, „alle“, „nur“, „jeder“, „keiner“ usw. verwendet werden. Das ist selten gerechtfertigt und richtig. Meistens ist es undifferenziert oder schlichtweg falsch. Mit der Verwendung dieser Verbal-Extremismen legt man die Grundlage für unsachliche Diskussionen und schürt unnötig Stimmungen.

Suggestion:

Die Wahl der Worte erzeugt in weniger als 0,25 Millisekunden innere Bilder aus dem Unterbewusstsein, die auf dieses wirken. Das führt dazu, dass durch scheinbar unverfängliche Fragen unser Gehirn manipuliert wird. 

„War der Termin sehr unangenehm?“ – Allein diese Formulierung kann dazu führen, dass unser Gegenüber nur an die unangenehmen Aspekte des Termins denkt und etwaige positive Sichtweisen oder Punkte verschüttet werden. 

Worte wirken

Wenn wir gezielt positive Wörter wählen, wirkt sich das nicht nur positiv auf unsere Gespräche aus, sondern die Funktionen des Frontallappen unseres Gehirns beginnen sich nachhaltig zu verändern. Kurzfristig verbessert sich unser logisches Denken, was uns stärkt, in Aktion versetzt und zu motorischem Handeln führt. 

Durch eine achtsame Wortwahl kann das Gehirn langfristig neu strukturiert werden, was dauerhaft zu einer Steigerung des kognitiven Denkens, der Aktivierung der Motivationszentren und einer Entwicklung einer positiveren Wahrnehmung führt.

Der bewusste Einsatz positiver Sprache kann uns von pessimistischen Haltungen befreien. Und eine Veränderung der Selbstwahrnehmung wirkt sich auch auf die Wahrnehmung der Menschen aus, mit denen wir interagieren. Zudem ermöglicht eine positive Sprache eine konfliktfreie und vertrauensvolle Kommunikation, verbessert die Fähigkeit des genauen Zuhörens und fördert eine effektive Zusammenarbeit. Dadurch können wir schneller, erfolgreicher und zielgerichteter handeln.

Reflektieren vor dem Kommunizieren

Die Reflexion über die eigene Wahrnehmung und den Sprachgebrauch ist entscheidend für die Bewusstseinsschärfung. Unternehmen sollten sich kontinuierlich mit ihren Werten und ihrer Identität auseinandersetzen, um die Sprache entsprechend auszurichten. Die Anwendung von Sokrates' Fragen (Ist es wahr? Ist es wohlwollend? Ist es erforderlich?) bieten praktische Ansätze zur Bewusstseinsschärfung.

Oder etwas weiter gefasst: 

„Before you speak: T H I N K“

T is it true?

H is it helpful?

I is it inspiring?

N is it necessary?

K is it kind?

Insgesamt zeigt sich, dass Sprache nicht nur ein Mittel zur Kommunikation ist, sondern ein zentrales Werkzeug zur Gestaltung der Unternehmenskultur. Der bewusste Umgang mit Worten ermöglicht es, kulturelle Elemente aufzudecken, positive Atmosphären zu schaffen und eine nachhaltige Veränderung in der Organisation herbeizuführen. Der Weg zu einer positiven Kultur beginnt somit bei jedem gesprochenen Wort.


Alex Clodius

Innovation Architect